Wie werden Glücksspielverluste erstattet? | 96

Nicht wenige haben mit Online-Glücksspiel (Poker, Slots, etc.) herbe Verluste gemacht. Dank einer Gesetzeslücke in Deutschland könnte es jedoch in einigen Fällen möglich sein, diese Verluste zurückzufordern. In diesem Beitrag erklären wir die Zusammenhänge.

Kontext: Der Glücksspielstaatsvertrag

Glücksspiele (sowohl online als auch offline) sind in Deutschland durch den sog. Glücksspielstaatsvertrag (kurz: GlüStV) stark reguliert.

Es handelt sich dabei um ein Gesetz, der Begriff "Staatsvertrag" stammt daher, dass die Regulierung von Glücksspiel eigentlich Sache der einzelnen Bundesländer ist, diese aber zur gemeinsamen Koordination quasi einen "Vertrag" miteinander schließen, und somit Glücksspiel im Wesentlichen doch wieder bundesweit einheitlich reguliert wird.

Man erkennt schon am Namen, dass der Glücksspielstaatsvertrag ein stark bürokratisch geprägtes Gesetz ist und das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen und Kompromisse ist, der zudem alle paar Jahre wieder geändert wird (siehe dazu auch unseren Beitrag zu den kommenden Änderungen im Jahre 2021). 

Der Glücksspielstaatsvertrag regelt gem. § 2 GlüStV "die Veranstaltung, die Durchführung und die Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen".

Die Begrifflichkeiten sind wichtig, da sie uns später beim Verständnis der "Gesetzeslücke" helfen werden.

Der neue Glücksspielstaatsvertrag scheint rechtswidrig zu sein

Was fällt alles unter "Glücksspiele"?

Der Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages erstreckt sich bewusst sehr weit.

Die rechtlichen Voraussetzungen sind in § 3 GlüStV recht verständlich beschrieben:

"Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. [...]" (§ 3 Abs. 1 GlüStV)

Er umfasst mithin beispielsweise sowohl Poker, Roulette und Slots, als auch Sportwetten und sogar Pferdewetten.

Slotmaschinen

Grundsatz: Verbot von öffentlichen Glücksspielen im Internet

§ 4 Abs. 4 GlüStV enthält eine klare Regelung:

"Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten".

 Der Begriff "öffentlich" ist nicht weiter relevant, da so gut wie alle Glücksspiele, mit denen der Leser zu tun haben wird, als "öffentlich" gelten:

"Ein öffentliches Glücksspiel liegt vor, wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht oder es sich um gewohnheitsmäßig veranstaltete Glücksspiele in Vereinen oder sonstigen geschlossenen Gesellschaften handelt." (§ 3 Abs. 2 GlüStV)

 Der Gesetzgeber will damit lediglich klarstellen, dass zwei Kumpels, die einmalig zusammen eine Wette auf den Ausgang eines Fußballspiels abschließen, das ohne Weiteres "einfach so" machen können und der Glücksspielstaatsvertrag für "professionelle" Anbieter wie bwin.de etc. gelten.

Wieso sind also Anbieter wie z.B. bwin.de legal? Da sie eine Konzession erhalten haben.

Ausnahme: Konzession für Sportwetten

Trotz des grundsätzlichen Verbots von öffentlichen Glücksspielen im Internet ist es für manche Anbieter trotzdem möglich, in Deutschland Online-Glücksspiele anzubieten, und zwar wenn sie eine Konzession beantragen und erhalten:

"Die Konzession gibt dem Konzessionsnehmer [...] das Recht, abweichend vom Verbot des § 4 Abs. 4 Sportwetten im Internet zu veranstalten und zu vermitteln." (§ 10a Abs. 3 GlüStV)

Konzessionen sollen sicherstellen, dass der Anbieter gewisse Anforderungen erfüllt, die der Suchtbekämpfung etc. dienen sollen.

Seit dem 15. Oktober 2020: Duldung illegaler Angebote durch die Behörden

Konzessionen können derzeit nur für Sportwetten erteilt werden. Da Online-Poker keine Sportwette ist, kann dafür auch keine Konzession erteilt werden und ist in Deutschland derzeit somit zwingend illegal. Dennoch befindet sich die Situation um den Glücksspielstaatsvertrag herum derzeit im Wandel.

Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag läuft nämlich am 1.7.2021 ab (wie gesagt, der Glücksspielstaatsvertrag ändert sich alle paar Jahre), und die Bundesländer haben für die Übergangszeit zwischen dem. 15.10.2020 und dem 1.7.2021 durch den sog. "Umlaufbeschluss" beschlossen, manche an sich illegal Verhaltensweisen nicht mehr zu verfolgen.

Mittlerweile: Viele Anbieter haben sich den Regeln angepasst

Mittlerweile haben sich viele Anbieter den deutschen Regeln angepasst und entweder eine Konzession beantragt und ihr Angebot darauf beschränkt, oder sie schließen deutsche Kunden grundsätzlich vom Angebot aus.

bwin.de beispielsweise hat somit zuvor eine Erlaubnis beantragt und erhalten. Daher finden wir in den AGB von bwin.de auch folgenden Hinweis:

"Das Unternehmen ist lizenziert und reguliert:

• Für Sportwetten durch das Regierungspräsidium Darmstadt, nachfolgend „RP, über eine bundesweite Sportwettenerlaubnis, erteilt am 09.10.2020 [...]" (https://help.bwin.de/de/general-information/legal-matters/general-terms-and-conditions, abgerufen am 2.1.2021)

Anders verhält es sich jedoch bei ggpoker.eu. Die Website dieses Anbieters enthält keine Informationen über etwaige Konzessionen in Deutschland. Vielmehr enthalten die AGB von ggpoker.eu folgende Passage:

"Restricted Countries

Due to the fact that there are many laws on gambling in different countries, including online poker and the risks associated with political instability and the threat of terrorism, the GGPoker Network currently does not accept players who reside, reside or usually reside in a number of countries and jurisdictions.

As a rule, if a potential player cannot find his country of residence in the list of countries available during the registration process, this means that GGPoker will not be able to accept him as a player, therefore this person will not be able to access the products and services of the GGPoker Network.

GGPoker reserves the right to periodically amend the list of countries with restricted access."
(https://en.ggpoker.eu/terms-conditions/, abgerufen am 2.1.2021)

 

Die AGB von ggpoker.eu enthalten auch folgende Klausel:

"The Services are intended only for users who are not prohibited by the laws of any applicable jurisdiction from gambling on the Internet. The Company does not intend to enable you to contravene applicable law. You represent, warrant and agree to ensure that your use of the Software and the Services will comply with all applicable laws, statutes and regulations."

(https://en.ggpoker.eu/terms-conditions/, abgerufen am 2.1.2021)

 

 

Interessanterweise findet man Deutschland im Rahmen der Registrierung bei den zur Auswahl stehenden Ländern:

Nach dem Anklicken erhält man jedoch den Hinweis, man solle zu ggpoker.de wechseln:

Nach dem Öffnen dieses Links landet man jedoch wieder auf ggpoker.eu:

Man landet somit wieder am Ausgangspunkt, und wenn man sich wieder versucht, zu registrieren, und "Deutschland" auswählt, kommt wieder der gleiche rote Link. Auch verwandelt sich der "Sign Up"-Button in einen "Visit GGPokerDE"-Button.

Somit ist es nicht möglich, sich aus Deutschland bei ggpoker.eu zu registrieren, zumindest wenn man korrekte Angaben macht.

Etwas ähnliches passiert, wenn man sich bei VoodooDreams als Deutscher registrieren will:

Fazit ist also, dass es mittlerweile oft nicht möglich sein wird, sich bei in Deutschland nicht zugelassenen Anbietern als Deutscher anzumelden.

Sonderfall aus der Vergangenheit: Schleswig-Holstein

Teilweise haben einige bestimmte Anbieter auch tatsächlich eine Zulassung für Deutschland erhalten gehabt, als während eines kurzen Zeitraums im Jahre 2012 Zulassungen für Online-Glücksspiel für Deutschland in Schleswig-Holstein erteilt wurden. Schleswig-Holstein knickte aber schnell ein und schloss sich den anderen Bundesländern im Glücksspielstaatsvertrag an. Das Interessante: Die erteilten Genehmigungen behielten ihre Gültigkeit, die letzten Genehmigungen liefen 2019 ab.

Das Argument der Europarechtswidrigkeit zieht nicht

Dennoch setzten manche Anbieter (trotz abgelaufener Lizenz!) ihre Tätigkeit in Deutschland fort. Sie gingen dabei davon aus, dass der deutsche Glücksspielstaatsvertrag von den Gerichten als europarechtswidrig (konkret: Verstoß gegen Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit) angesehen wird, und ihre Angebote für Deutsche somit legal sind – eine durchaus vertretbare Rechtsauffassung.

Dennoch haben verschiedene Gerichte, konkret das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 26.10.2017 - BVerwG 8 C 14.16) und diverse Oberverwaltungsgerichte (statt vieler: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. August 2019, Az.: 1 N 46.18) die Rechtslage anders aufgefasst und das Online-Glücksspielverbot bestätigt.

Hoppla, zu hoch gepokert 😉

Die Anbieter haben sich somit über einen längeren Zeitraum hinweg illegal Glücksspiel an deutsche Kunden angeboten und sich in eine "Gesetzeslücke" manövriert.

Folge: Rückerstattungsanspruch?

Als Folge ist es grundsätzlich denkbar, dass diese Kunden gegenüber den Anbietern Rückerstattungsansprüche haben. Dies hängt von vielen Faktoren ab und muss immer im Einzelfall geprüft werden.

Der "Joker" bei Anbietern im Ausland

Sollte sich ein Anbieter im Ausland befinden (was häufig der Fall ist), so verkompliziert sich die Lage nochmals.

Möglicherweise gibt es aber dann einen "Joker": Nicht die Anbieter, sondern die Zahlungsdienstleister wie PayPal, Sofort, Giropay etc. in Anspruch nehmen.

Diese haben häufig einen Sitz in Deutschland und sind somit für Deutsche juristisch "greifbarer" als ausländische Unternehmen.

Grundsätzlich denkbar ist im Falle einer Überweisung (wenn also außer der Bank kein sonstiger Zahlungsdienstleister in Anspruch genommen wurde), die Bank in Anspruch zu nehmen, wobei auch dies stark vom Einzelfall abhängt.

Achtung: Die Zeit läuft!

Etwaige Rückerstattungsansprüche, gleichgültig wem gegenüber, unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB und verjähren nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist von drei Jahren ist hierbei ab Ende des Jahres, in dem die Überweisung stattgefunden hat, zu rechnen.

Konkret heißt das, dass zum Jahreswechsel am 1.1.2021 alle Forderungen bis einschließlich 31.12.2017 verjährt sein dürften.

Nur wer die Überweisung am 1.1.2018 oder später getätigt hat, könnte noch Chancen haben.

Sie benötigen mehr Infos

Gern beraten wir Sie individuell zur Frage, ob Sie Glücksspielverluste erstattet bekommen können.

Blogbeitrag vom Diplom Jurist Jakub L. Szypulka vom 04.01.2021  in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Fabian Graske