Corona und die Immobilienfalle: Drohende Zwangsvollstreckung wegen Wertverlust | #87

Zwangsvollstreckung wegen Nachversicherungsverlangen

Der Volksmund sagt: Immobilien sind krisensicher

Die Immobilie ist nur eine von vielen Assetklassen, gilt aber immer noch als krisensicher. Nachdem wir in den letzten 10 Jahren einen unglaublichen Boom der Immobilienpreise erleben durften, wird diese Assetklasse immer interessanter für die breite Masse. Egal was in den nächsten Jahrzehnten geschehen wird, Menschen werden Wohnraum benötigen, damit ist nicht anzunehmen, dass die Immobilie als solche ihren Stellenwert als Kapitalanlage bzw. Altersvorsorge hergeben wird. Jedoch drohen einige Gefahren, die der breiten Masse gerade nicht bekannt sind. Um die Gefahr des Nachversicherungsverlangens der Bank soll es in diesem Blogartikel gehen. 

II. Nachversicherungsverlangen der Bank 

Die bekanntesten Risiken im Zusammenhang mit Immobilien sind:

  • hohe Zusatzkosten nach Beendigung der Zinsbindung durch teure Nachfinanzierung
  • Mietausfall (Mitnomaden; Baumängel; Nachbarschaftsstreitigkeiten; Lärm; Wirtschaftskrisen; u.a.)
  • Kreditausfall durch private finanzielle Probleme (Arbeitslosigkeit; Insolvenz; Krankheit)
  • Fehlende Fertigstellung des Objekts bei Bauträgergeschäften
  • uvm.  

In den letzten Jahren hört man immer wieder, dass die Immobilienpreise sinken, wenn es zu einer Zinssteigerung kommt. In dem Zusammenhang wird eine Gefahr, die aus meiner Sicht deutlich gravierender ist, nicht angesprochen. Die Gefahr nennt sich Nachversicherungsverlangen der Bank. 

Stell dir vor, die Immobilienpreise brechen flächendeckend um ca. 20 % ein, weil die Gesellschaft von einer Wirtschaftskrise erschüttert wird, was aktuell nicht völlig außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt. Möglicherweise steigen im gleichen Zeitraum die Zinsen. Die meisten Immobilieneigentümer, egal ob als Kapitalanleger oder als Eigenheimbesitzer sind relativ lange entspannt, wenn die Immobilie bewohnt bzw. vermietet ist und bei kreditfinanzierten Immobilien das Ende der Zinsbindung noch viele Jahre entfernt ist. Leider irren die Eigentümer in dem Zusammenhang. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in den nächsten Monaten, abhängig vom Ausgang der Corna-Krise, Immobilienbesitzer ein Schreiben von ihrer Bank erhalten, dass für den Immobilieneigentümer unmittelbar eine finanzielle Schieflage zur Folge haben kann. Die Brief könnte wie folgt formuliert sein:

"Aufgrund der gefallenen Marktpreise müsse die Immobilie neu bewertet werden. Statt bisher 800.000 Euro hat sich der Wert der Immobilie auf 640.000 Euro reduziert. Aufgrund aktueller Besicherungsvorschriften ist eine Finanzierung nur noch bis zum Marktwert von 60 % zugelassen. Wir bitten Sie innerhalb von 14 Tagen um kurzfristige Überweisung von 110.000 Euro an zusätzlichem Eigenkapital oder um alternative Sicherheiten, damit die Besicherungslücke geschlossen werden kann. Anderenfalls müsse das Darlehen gekündigt werden." 

II. Welche Folge hat das Nachsicherungsverlangen der Bank?

Für den Fall, dass das Nachversicherungsverlangen rechtmäßig ist, was nicht zwangsläufig der Fall sein muss, hat die Kündigung des Darlehens die Fälligkeit des Kredites zur Folge. Wer diesen nicht bedienen kann und keine Anschlussfinanzierung, ggf. bei einer anderen Bank oder einem privaten Investor realisiert, wird zum Notverkauf gezwungen bzw. zwangsvollstreckt. Jetzt werden sich viele die Frage stellen, wie es sein kann, dass von außen kommende Ereignisse, die über einen unbestimmten Zeitraum den Wert meiner Immobilie mindern, eine nachträgliche Veränderung der Konditionen des Vertrages zur Folge haben können. Hier hilft ein Blick in die AGB der Banken bzw. ein Blick in die Vertragsunterlagen, insbesondere in den Finanzierungsvertrag. Am Beispiel von Sparkassen kann dies eindrucksvoll verdeutlich werden, Ziff. 13 AGB-Banken/Ziff. 22 Nr. 1 AGB-Sparkassen:

Nr. 22 - Nachsicherung und Freigabe

  1. Nachsicherungsrecht - Die Sparkasse kann vom Kunden die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für seine Verbindlichkeiten verlangen, wenn sich aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände, z.B. aufgrund einer Verschlechterung oder drohenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, eines Mithaftenden oder Bürgen oder des Werts bestehender Sicherheiten, eine Veränderung der Risikolage ergibt.
  2. Freigabe-Verpflichtung - Die Sparkasse ist auf Verlangen zur Freigabe von Sicherheiten nach ihrer Wahl verpflichtet, soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der Sparkasse nicht nur vorübergehend um mehr als 10 v.H.übersteigt. Diese Deckungsgrenze erhöht sich um den jeweils aktuellen Umsatzsteuersatz, soweit die Sparkasse im Verwertungsfall mit der Abführung der Umsatzsteuer aus Verwertungserlösen belastet ist. Die Sparkasse wird bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen.

III. Wie ordne ich dieses Risiko ein?

Besonders betroffen von dieser Risikogruppe sind all diejenigen Eigentümer von Immobilien, die sich privat Eigenheime anschaffen und deren Finanzierung sehr knapp kalkuliert ist. Gleiches gilt für Investoren, die bei möglichst geringer Eigenkapitalquote die Hebelwirkung des Fremdkapitals auf die Rentabilität des Eigenkapitals (Leverage Effekt) ausnutzen möchten, jedoch bei finanziellen Problemen durch fehlende Liquidität und fehlende darüberhinaus gehende Kreditwürdigkeit die (rechtmäßige) Forderung der Bank nicht bedienen können. Beide Immobilieneigentümer haben trotz unterschiedlicher Zielsetzung eines gemeinsam: Um finanzielle "Rücklagen" sieht es regelmäßig schlecht aus. 

IV. Fazit

Wer oberhalb seiner finanzielle Möglichkeiten konsumiert, d.h. Immobilien bewohnt, die er sich nicht leisten kann, ist von dieser Problematik besonders betroffen. Gleiches gilt für Investoren in Immobilien, die aufgrund besonders geringer Eigenkapitalquote möglichst hohe Renditen erzielen möchten ("Keine Rendite ohne Risiko") und im Ergebnis beim Eintritt dieses Sachverhalts zu aggressiv investiert sind. Beides ist legitim, erhöht aber das eigene Risiko.

Mit diesem Blog möchten wir nicht davon abhalten in Immobilien zu investieren, sondern lediglich einer Risikogruppe eine weitere Gefahr aufzeigen, die im Zusammenhang mit Immobilien durch geschickte Vertragsverhandlungen bzw. vor allem durch solides wirtschaften größtenteils ausgeschlossen werden kann.